Wolfgang Melzer

(Rednerladen)

Aus meinen Sudelbüchern
Beobachtungen, Betrachtungen, Einfälle, wie sie gerade anfallen.

24.04.2025

Zum 24. April 1575

Am 24. April vor 450 Jahren wurde in Seidenberg bei Görlitz Jacob Böhme geboren. Viele Jahre betrieb er in Görlitz eine Schusterwerkstatt und schrieb Bücher, mit denen er weltweit bekannt wurde. Inzwischen ist er auch in Görlitz und Zgorzelec sichtbarer als noch vor wenigen Jahren. Man kann vermuten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, denn Stadt und private Initiativen bemühen sich darum.
450 Jahre und nicht ganz vergessen – es muss etwas dran sein am Werke dieses Schusters. Was, das ist nicht leicht zu sagen. Ist er Theosoph? Ist er Philosoph? Ist er Glaubensmann? Ein religiöser Schwärmer? Reformator? Rebell innerhalb der Lutherischen Kirche? Oder alles das und nichts davon? Jedenfalls wird er bis heute von unterschiedlichsten Erben für sich reklamiert.
In diesem Sinne ist er schillernd und schwer zu fassen. So schwer, wie es seine “Morgenröte im Aufgang“ und „De Signatura Rerum“  sind, seine – aus meiner Sicht – wichtigsten wissenschaftlichen Schriften. Wohl wegen diesen Texten nannte Hegel ihn den ersten Deutschen Philosophen. Andere sehen ihn als Mystiker, als Erleuchteten gar und gewichten seine Werke anders als ich. Das ist nicht verwunderlich, denn vieles ist bei Böhme noch roh und unbehauen. Das reicht bis in die Sprache hinein, die heute nur noch mit viel Mühe zugänglich ist und vielfältige Deutungen nicht nur möglich macht, sondern geradezu dazu zwingt. Zumal Böhme die Teilung in Natur- und Geisteswissenschaften nicht kennt und möglicherweise auch nicht akzeptiert hätte.
So erfahren wir oft eher etwas über den Leser und seine Haltung zur Welt, wenn dieser sich daran macht, Böhmes Gedanken in das Heute zu tragen. Denn wieder einmal bestätigt sich Lichtenbergs Diktum, dass das Buch ein Spiegel ist, aus dem nur das herausschaut, was hineinguckt: Affe oder Apostel – je nachdem.
Ob aber nun Böhme als Gottesweiser, Wirrkopf oder Philosoph gesehen wird, niemand leugnet, dass Böhmes strenges Suchen als Vorbild dienen kann. Er wollte nicht die Widersprüche im Denken und den Lehren seiner Zeit tolerieren. Derlei  Widersprüche empfand er als Aufgaben, die es zu lösen galt. Und er wagte dies mit selbständigem Denken, lange bevor Kant dasselbe zum Leitmotiv der Aufklärung ausrief.
Nicht wenig, wie ich finde!

Admin - 15:36:14 | Kommentar hinzufügen